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Austria Börsenbrief
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Wirbel um Wien Energie

31.08.2022 | Austria Börsenbrief Nr. 34/2022

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

die vergangenen Tage haben wieder einmal gezeigt, wie wenig Ahnung zahlreiche Politiker und Journalisten von der Börse haben. Was war da zu lesen und wurde (zumeist von Oppositionspolitikern) weidlich ausgeschlachtet? Wien Energie pleite, Wien Energie muss sich Geld vom Bund borgen, Wien Energie braucht sechs Milliarden um zu überleben etc. Tatsächlich gab es eine Krisensitzung, bei der über die finanzielle Lage des Wiener Energieversorgers gesprochen wurde. Aber was steckt dahinter? Eigentlich nichts anderes als ein recht einfacher Vorgang, der an den Börsen dieser Welt täglich tausende Male praktiziert wird. Der „Finanzierungsbedarf“ betrifft schlicht und einfach ein margin requirement, wie es bei allen Futuresgeschäften völlig normal ist. Mit so einem margin call sollen potenzielle Forderungen aus einer Transaktion besichert werden. Es handelt sich also nur im weitesten Sinn um „Finanzierungsbedarf“. Schlagend wird dieser erst, wenn die betreffende Position geschlossen wird, was derzeit nicht der Fall ist. Gehen wird davon aus, dass den meisten mit der Materie befassten Politikern und Journalisten der Begriff „margin call“ noch nie untergekommen ist, und dementsprechend gestalteten sich denn auch die Kommentare. Immerhin erfreulich ist, dass es aber relativ rasch zu recht vernünftigen Vorschlägen gekommen ist. So schlugen Politiker sowohl auf europäischer (von der Leyen) als auch auf nationaler Ebene (Nehammer) eine Reform des Strommarktes vor. Gehen wir davon aus, dass hier Experten die Einflüsterer waren (beiden ist solches Fachwissen eher nicht zuzutrauen), doch die Widergabe klang vernünftig. Das Problem: Der Strommarkt funktioniert wie ein Aktienmarkt. Dort bestimmt die jeweils letztverkaufte und somit teuerste Aktie den Tageskurs. Ganz ähnlich der Strommarkt, nur dass hier die letztverkaufte Kilowattstunde eben die mit dem derzeit absurd teuren Gas produziert wird. Das entspricht aber in vielen Fällen nicht den Produktionskosten. Strom aus Wasserkraft ist zum Beispiel deutlich billiger, was Produzenten hydraulischen Stroms enorme windfall profits beschert. Und bisweilen muss Strom sogar verschenkt werden. Das mit Windkraftanlagen bestens bestückte Burgenland etwa produziert zu manchen Zeiten „Überschuss-Strom“, der im Netz nicht gebraucht wird. Was dann geschieht, hat der Erdölmarkt im Frühjahr 2020 gezeigt: Es gibt „negative Preise“; das heißt, „Käufer“ bekommen noch etwas bezahlt, wenn sie den Energieträger abnehmen (haben dann allerdings das Lagerproblem). Sinnvoll wäre es also, den Strommarkt zu fraktionieren und die einzelnen Produktionsarten – so wie unterschiedliche Aktien – gesondert zu notieren. Das würde auch einen Wettbewerb zwischen den Produktionsarten – etwa Wind, Wasser, Solar, Geothermie etc .. – fördern und das Thema „Abschöpfung der Zusatzgewinne“ beenden (siehe Verbund-Aktie!) Der erwünschte und mögliche Effekt wäre eine Verbilligung von Strom, dessen Preis dann eben nicht mehr sklavisch an den Gaspreis geknüpft wäre, was sich wiederum dämpfend auf die Inflation auswirken würde. Und diese rückt immer mehr in das Zentrum des Interesses von Anlegern und Notenbanken. Nach dem FED-Treffen in Jackson Hole dürfte ja klar sein, dass die US-Zentralbanker fest entschlossen sind, die Geldentwertung zu bremsen. Ein Weg dorthin könnte über eine Reform der Strombörse führen.

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