Streitfrage: Hat sich das Wohlbefinden der Europäer seit der Euro-Einführung verbessert oder nicht – Natixis sagt Ja, was meinen Sie?

Ob es uns heute früher oder besser geht, ist ein häufig diskutiertes Streitthema. Oft geht das auch mit einer Debatte darüber einher, wie sich die Einführung des Euro auf das Wohlergehen in Europa ausgewirkt hat. In einer Studie kommt Natixis zu dem Schluss, dass sich das Wohlbefinden der Einwohner der Eurozone seit 1999 verbessert hat. Der Börsenwerte Verlags-Blog berichtet und würde gerne wissen, wie unsere LeserInnen das sehen.

Kürzlich haben wir uns hier https://www.boersenbrief.at/blog/gut-oder-schlecht-ein-fazit-zum-25-geburtstag-des-euro-als-gemeinschaftswaehrung/ im Börsenwerte Verlags-Blog bereits dem Euro gewidmet. Bei Facebook führte das zu regen Meinungsäußerungen dazu, wie das persönliche Fazit unserer LeserInnen nach 25 Jahren Euro ausfällt. Da dieses Thema somit angesagt zu sein scheint und im Alltagsleben auch jeden betrifft, schieben wir jetzt einen weiteren Beitrag nach. Dabei beschäftigt sich der nachfolgende Text mit der Frage, wie hat sich das Wohlbefinden der Europäer seit der Einführung des Euro verändert hat. Als Basis dazu greifen wir auf eine Publikation von Natixis Research zurück.

Laut dem Studienautor Patrick Artus hängt das Wohlergehen einer Bevölkerung oder eines Landes ab von: 1. Wachstum des Pro-Kopf-BIP und der Reallöhne. 2. Die Beschäftigungsquote, die Gesamtarbeitslosenquote und die Jugendarbeitslosenquote. 3. Ungleichheiten bei Einkommen und Vermögen. 4. Der Prozentsatz der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. 5. Die Großzügigkeit der Sozialhilfe. 6. Die Entwicklung der Lebenserwartung sowie 7. Veränderungen der relativen Preise für Wohnimmobilien.

Die Veränderungen bei den verschiedenen Determinanten des Wohlbefindens in der Eurozone seit der Einführung des Euro im Einzelnen

Es gibt laut dem Chefvolkswirt von Natixis, und damit des Investmentarms der französischen Bank Groupe BPCE noch weitere Determinanten des Wohlbefindens, aber dies scheinen die wichtigsten zu sein. Bei seiner Analyse kommt Artus zu den folgenden Schlüssen dazu, wie sich die genannten verschiedenen Determinanten des Wohlstands in der Eurozone seit der Einführung des Euro entwickelt haben.

1. Wachstum des Pro-Kopf-BIP und der Reallöhne

Die Schaubilder 1A und B zeigen die Entwicklung des realen Pro-Kopf-BIP und der realen Pro-Kopf-Löhne seit 1999. Es zeigt sich, dass das Pro-Kopf-BIP stetig gestiegen ist, die realen Pro-Kopf-Löhne jedoch 2022-2023 gesunken sind.

2. Beschäftigungsquote, Arbeitslosenquote, Jugendarbeitslosenquote

Die Schaubilder2A und B zeigen, dass die Beschäftigungsquote seit 1999 stark angestiegen ist und dass die Arbeitslosenquote für die gesamte Erwerbsbevölkerung und für Jugendliche seit 2013 stark gesunken ist.

3. Ungleichheiten bei Einkommen und Vermögen

Die Schaubilder 3A und B zeigen, dass die Ungleichheiten bei Einkommen und Vermögen seit der Einführung des Euro leicht zugenommen haben.

4. Armutsquote

Schaubild 4 zeigt den Prozentsatz der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Der Anteil der Bevölkerung, der unter der Armutsgrenze lebt, ist ziemlich stark gestiegen.

5. Großzügigkeit der Sozialleistungen

Schaubild 5 zeigt den Umfang der öffentlichen Ausgaben für Sozialleistungen (Renten, Gesundheitsfürsorge, Familie, Wohnen) in Prozent des BIP der Eurozone. Wir sehen den starken Anstieg dieser Ausgabenarten im Verhältnis zum BIP.

6. Lebenserwartung

Abbildung 6 zeigt die Entwicklung der Lebenserwartung bei der Geburt in der Eurozone. Sie zeigt, dass sie seit der Einführung des Euro um vier Jahre gestiegen ist, wobei der einzige Rückgang der Lebenserwartung im Jahr 2020 auf die COVID zurückzuführen ist.

7. Relative Wohnungspreise

Schließlich zeigt Schaubild 7 die Entwicklung der relativen Preise für Wohnimmobilien (im Verhältnis zu den Verbraucherpreisen); ein Anstieg der relativen Wohnungspreise verringert den Wohlstand. Die relativen Preise für Wohnraum sind stark angestiegen.

Schlussfolgerung:

Hinsichtlich der Frage, welche Komponenten des Wohlstands sich in der Eurozone seit 1999 verschlechtert haben, kommt Artus zu den folgenden Schlüssen:

Das reale Pro-Kopf-BIP ist seit 1999 gestiegen; - die Beschäftigungsquote ist jetzt höher und die Arbeitslosenquote und die Jugendarbeitslosenquote sind jetzt niedriger als 1999; - die Einkommens- und Vermögensungleichheit hat leicht zugenommen; - die Armutsquote ist stark gestiegen; - die Großzügigkeit der Sozialleistungen hat deutlich zugenommen; - die Lebenserwartung ist gestiegen; - der relative Preis von Wohnimmobilien ist deutlich gestiegen.

Die Komponenten des Wohlstands, die sich verschlechtert haben, sind also die Ungleichheit (leicht), die Armut und der relative Preis von Immobilien; die anderen haben sich verbessert.

Zusammengefasst bringt das Artus zu dem Fazit, dass das Wohlergehen der Einwohner der Eurozone seit 1999 zugenommen hat, trotz des leichten Anstiegs der Ungleichheit, der Zunahme der Armut und des Anstiegs der Immobilienpreise. Dies ist auf den Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens und der Beschäftigungsquote, den Rückgang der Gesamtarbeitslosenquote und der Jugendarbeitslosenquote sowie auf den Anstieg der Großzügigkeit der Sozialleistungen und der Lebenserwartung zurückzuführen, was aber nicht unbedingt mit der Wahrnehmung der Entwicklung des Wohlergehens in der Bevölkerung übereinstimmt, wie Artus einräumt. Vor dem Hintergrund dieser Bestandsaufnahme, würde uns interessieren, wie Sie den Einfluss des Euros auf Ihr eigenes und unser aller Wohlbefinden einschätzen.