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Das gleichzeitige Auftreten positiver und negativer Argumente macht ein beurteilen der Börsenaussichten derzeit kniffelig
14.12.2022 | Der Internationale Nr. 25/2022Das noch laufende Jahr neigt sich seinem Ende zu. Das ist traditionell für Anleger die Zeit, um mit Prognosen den Blick nach vorne zu richten. Beim Versuch, das auch dieses Mal zu tun, fällt auf, dass sich bei der Aufgabe, die vermeintlichen Börsenaussichten zu beurteilen, in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich oft sowohl gute Argumente für steigende als auch für fallende Kurse finden. Positiv zu werten ist, dass es neuerdings erstmals auch wieder hoffnungsvolle Nachrichten rund um die Verbraucherpreisinflation gibt. Denn die Teuerung könnte im vergangenen Sommer ihren Höhepunkt gesehen haben. Das Inflations-Timing-Modell von Ned Davis Research, das im November 2020 ein Aufwärtssignal für die Inflation gab, sendet seit Juli 2022 ein Abwärtssignal für die Inflation.
Was das Inflations-Timing-Modell des zitierten US-Finanzdienstleisters für Aktien bedeuten könnte, zeigt die nachfolgende Grafik. Das Modell fiel im Oktober in eine Zone mit „geringem Inflationsdruck“, was in der Vergangenheit für Aktien günstig war. Bei Ständen von unter null stieg der Dow Jones Industrial Average vom 31.01.1962 bis zum 31.10.22 jedenfalls im Schnitt um 13,04% p.a., während sich bei Niveaus von über 10,5 Verluste von durchschnittlich 3,26% p.a. ergaben. Auch für Anleihen fällt das Modell derzeit günstig aus. Dazu passt auch, dass jüngst die Kursdynamik der Anleiherenditen auf ein für Aktien günstiges Niveau gefallen ist. Positiv zu werten ist außerdem, dass sich die Konjunktur in den USA noch relativ gut hält.
Weniger vorteilhaft fällt dagegen ein anderer Einflussfaktor aus. Gemeint ist damit die Gewinnrendite von Aktien (Quotient aus Gewinn je Aktie dividiert durch den Aktienkurs. Es ist der Kehrwert des KGV), denn diese ist im Verhältnis zu den Anleiherenditen sehr niedrig. Die Relation, die sich derzeit aus diesen beiden Zahlen ergibt, sorgte in der Vergangenheit beim S&P 500 Index im Schnitt für Kursverluste. Wobei auch zu bedenken ist, dass die Renditen für zehnjährige Anleihen zwar ihre Hochs gesehen haben könnten, die US-Notenbank die kurzfristigen Zinssätze aber vermutlich noch etwas weiter anheben wird. Diese Konstellation ist aus der Sicht von Ned Davis Research ein echtes Problem. Ein ebenso großes Problem sieht man in den Aussichten für die Gewinnrenditen. Denn diese dürften im kommenden Jahr angesichts eher magerer Konjunkturaussichten vorerst weiter sinken.
Eine Bürde stellt auch die Liquidität dar. Wirkt die derzeit vorherrschende Mischung aus Geld-, Steuer- und Wechselkurspolitik doch bremsend auf die Konjunktur und wenn die Entwicklung bei der realen Geldbasis so wie jüngst schwach ausfällt, dann führte das seit Ende 1925 im Schnitt zu einem Kursstillstand am US-Aktienmarkt. Und weil auch andere Überlegungen zu ähnlich zwiespältig ausfallenden Ergebnissen führen, ist es derzeit weiser, sich mit konkreten Börsenprognosen solange noch etwas zurückzuhalten, bis sich die Ausgangslage wieder so gestaltet, dass Vorhersagen eine höhere Trefferquote als aktuell versprechen.
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