Matthias Rieger, Chefanalyst
Matthias Rieger, Chefanalyst Hanseatischer Börsendienst

Warum haben so wenig Deutsche Aktien?

von Matthias Rieger

Bekanntlich gibt es in Deutschland kaum noch Aktionäre. Woran kann das liegen? Angesichts der hohen langfristen Renditen, die mit Aktien zu erzielen sind, ist die Scheu der Anleger vor der Aktienanlage kaum verständlich. Vielleicht gibt es einen einfachen Grund dafür, dass Aktien bei den Deutschen nicht beliebt sind: Es sagt ihnen einfach niemand, dass sie Aktien kaufen sollen. Wir Deutsche bevorzugen eher die Lebensversicherung als Sparform für das Alter.

Bei der Lebensversicherung sagt uns ja auch jemand, dass dies ein gutes Produkt für uns ist. Warum wird also massiv darauf gedrängt, dass wir in Lebensversicherungen anlegen, während sich niemand so richtig dafür stark macht, sein Geld in Aktien anzulegen? Ein Grund: Eine Lebensversicherung ist besonders für die Versicherungsbranche ein richtig gutes Geschäft. Wenn ein Anleger hingegen sein Geld in Aktien anlegt, verdient weder eine Versicherung noch eine Bank richtig mit. Hier verdient letztendlich nur der Anleger.

Doch wir leben ja nun einmal in einer Marktwirtschaft und da ist es nicht gewünscht, dass ein Privatanleger einfach so für sich Geld verdient, ohne davon den großen Finanzkonzernen einen Anteil abzugeben. Somit wird der Bürger mit Werbung gefüttert und oftmals auch mit Anrufen belästigt, damit das Geld in die für die Finanzbranche vorteilhaften Produkte fließt.

Derzeit treibt die Geldanlage wieder recht merkwürdige Blüten. Zertifikate aller Art machen den Aktien Konkurrenz. So sind derzeit beispielsweise besonders bei jüngeren Anlegergruppen so genannte Wikifolios beliebt. Hier kann jeder Amateur ein Depot auflegen, an dem sich dann andere Anleger beteiligen können. Ob diese Anleger jedoch wissen, in was sie da wirklich investieren?

Wenn dort beispielsweise ein Wikifolio in DAX-Aktien investiert, könnte ich als Anleger das Gefühl bekommen, Eigentümer von DAX-Aktien zu sein. Ein Wikifolio ist jedoch ein Zertifikat, das lediglich das Recht auf Beteiligung an der Wertentwicklung an den Aktien verbrieft. Ein Zertifikat ist somit eine von einem Emittenten begebene Schuldverschreibung. Käufer eines Zertifikats sind also nur Gläubiger des Emittenten, jedoch nicht Eigentümer von Aktien.

Dieser Punkt ist in stabilen Marktphasen nicht entscheidend. Doch bei Erschütterungen des Finanzsystems möchte ich nicht das Kleingedruckte in irgendwelchen Prospekten lesen müssen. Dann möchte ich wissen, dass ich in Aktien investiert bin und damit in eine Anlegerform, mit der bereits über schwerste Finanzkrisen hinweg Werte bewahrt wurden. In diesem Zusammenhang wird immer auch gerne auf die Siemens-Aktie verwiesen, die zwei Weltkriege und eine Währungsreform überstanden hat. Vielleicht sollte so mancher Anleger einmal darüber nachdenken, was in dieser Zeit mit einem Siemens-Zertifikat geschehen wäre.

 Freundliche Börsentage wünscht Ihnen

 Matthias Rieger