Warum das aktuelle Marktumfeld eine Plage ist

Leitartikel aus dem Hanseatischen Börsendienst International 04/18

Hanseatischer Börsendienst International

Es gibt Börsenphasen, in denen wünscht man sich als Finanzjournalist nichts sehnlicher, als dass man etwas Gescheites gelernt hätte. Genau dieses Gefühl macht sich seit einigen vergangenen Monaten wieder einmal breit, weil das Umfeld ziemlich komplex ist und es widersprüchliche Einflussfaktoren schwierig machen, daraus eine eindeutige Markthaltung abzuleiten. Diese Zeilen stammen dabei von einem Autor, der inzwischen deutlich mehr als 3 Jahrzehnte Börsenerfahrung auf dem Buckel hat. Es ist also nicht so, dass wir noch nie schwierige Börsenphasen miterlebt hätten. Etwas irritiert vom jüngsten Kursgeschehen scheint übrigens auch John Bogle zu sein. Sprach der Gründer von Vanguard, der als Erfinder der Indexfonds gilt, doch jüngst davon, noch nie so volatile Märkte erlebt zu haben. Das will etwas heißen, schließlich verfügt der 88-jährige Börsenveteran über mehr als 6 Jahrzehnte an Erfahrung.    

Was die Einschätzung zur Volatilität angeht, würden wir zwar nicht ganz so weit gehen wie Bogle, sondern die jüngsten Kursausschläge nach langer Zeit ungewöhnlich ruhiger Aktienmärkte nur als Normalisierung bezeichnen. Trotzdem sind wir wie bereits angedeutet gleichzeitig der Ansicht, dass es momentan ausgesprochen schwierig ist, den Durchblick zu bewahren. Denn es sind einfach gleichzeitig mehrere Kräfte am Werke, die eine treffsichere Marktprognose erschweren, weil unklar ist, mit welcher Wirkung sich diese Kräfte langfristig entfalten werden.    

Zu den offenen Punkten, um die es dabei geht, zählen die Folgen der sich global abzeichnenden Zinswende, die Auswirkungen der stark gestiegenen Verschuldung in China oder auch die Verunsicherung darüber, ob die EU-Strukturen wirklich gerüstet sind, um den nächsten konjunkturellen Abschwung zu überstehen. Als ob das nicht schon genug Stoff zum Grübeln wäre, kommt außerdem noch hinzu, dass mit Donald Trump der Präsident der wichtigsten Weltmacht eine sehr unorthodoxe Politik betreibt. Diese umfasst eine expansive Fiskalpolitik bei Vollbeschäftigung, eine Deregulierung im US-Bankensektor, obwohl die dortigen Institute bereits wieder dicke Gewinne scheffeln oder protektionistische Tendenzen. Zudem führt der starke Mann im weißen Haus außenpolitisch einen aggressiven Kurs, was zuletzt zu einigen gefährlichen Spannungen geführt hat.    

Die Aktien-Risikoprämien  ziehen wieder an    

Als Folge davon steigen die Risikoprämien und momentan sieht es so aus, als ob sich dieser Trend fortsetzen sollte, was sich wiederum weiter belastend auf die Aktienkurse auswirken würde. Auch lassen uns unsere Grundüberzeugungen wegen der aufgezählten Entwicklungen langfristig negative Spuren in der Weltwirtschaft befürchten. Die Krux dabei ist nur, dass im Umfeld in den vergangenen Jahren immer wieder Risiken auftauchten, sich diese dann letztlich doch nicht zu einer echten neuen Krise ausweiteten. Diese Erfahrung bringt uns dazu, insbesondere den US-Aktienmarkt trotz wachsender Vorbehalte nicht vorzeitig abzuschreiben.