Probleme löst man nicht mit immer mehr Geld und Schulden

Jerome Powell, der Vorsitzende der US-Notenbank, hat am Freitag im Rahmen der Notenbankkonferenz von Jackson Hole deutlich gemacht, dass er die Inflationsbekämpfung sehr ernst nehmen will: "Die Wiederherstellung der Preisstabilität wird wahrscheinlich die Fortsetzung einer restriktiven Geldpolitik für einige Zeit notwendig machen", sagte Powell. Damit waren seine Aussagen bezüglich einer monetären Straffung deutlicher als zuvor erwartet. Die Börsen preisten weitere deutliche Zinsanhebungen ein und legten den Rückwärtsgang ein.

Sollte Powell tatsächlich noch weitere deutliche Zinsanhebungen durchsetzen, würde dies das Risiko künftiger Finanzkrisen massiv erhöhen. Dabei ist mir bewusst: Warnungen vor Finanzkrisen gab es in den zurückliegenden Jahren viele, doch passiert ist wenig. Michael Burry, US-Hedgefonds-Manager, der für seine Wette gegen den US-amerikanischen Immobilienmarkt kurz vor dessen Zusammenbruch bekannt wurde, wies darauf hin, dass es einen Grund dafür gebe, dass sich in den zurückliegenden Jahrzehnten Warnungen vor Finanzkrisen oftmals nicht bewahrheiteten. Er macht dafür die massive Ausweitung der Schulden verantwortlich. Ich teile diese Einschätzung: Tatsächlich wurden zurückliegende Probleme des Finanzsystems immer und immer wieder ganz einfach mit immer mehr Geld zugeschüttet. Dies war leicht möglich, weil das längst nicht mehr an das Gold gebundene Papiergeld beliebig vermehrbar ist.

Ich hatte an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, dass diese Behandlung jener eines Alkoholikers entspricht, dem der Arzt bei Anzeichen von Unwohlsein ganz einfach noch mehr Alkohol verschreibt. Tatsächlich lindert dies die Symptome für eine gewisse Zeit, doch das schreckliche Ende ist abzusehen. Auch wenn das Finanzsystem etwas komplexer ist, hat es auch hier die gleichen Folgen, wenn echte Ursachen der Krisen nie gelöst werden und alle Probleme mit immer mehr Geld und neuen Schulden erstickt werden.

Eine Folge der wundersamen Geldvermehrung aus dem Nichts sind die mittlerweile ausgeuferten Inflationsraten. Sicherlich, einige Sonderfaktoren wie der Krieg in der Ukraine sowie die globalen Lieferketten-Engpässe haben dies verstärkt, doch das Kernproblem der hohen Preise liegt in einem unsoliden Umgang mit dem bequem vermehrbaren Papiergeld.

Bis derartige Verschuldungsblasen platzen, dauert es in der Regel Jahrzehnte. Somit haben wir selber keine negativen Erfahrungswerte mit derartigen Ereignissen. Dies führt dazu, dass viele Investoren meinen, wir befinden uns derzeit in einem ganz normalen Börsenzyklus. Dies ist aus meiner Sicht nicht der Fall. Wir befinden uns global in der Endphase einer gigantischen Verschuldungsorgie. Ein Problem: Diese Verschuldungsblase lastet auf dem globalen Wirtschaftswachstum. Verschuldung ist vorweggenommener Konsum und dämpft somit das künftige Wachstum.

Inmitten dieser bereits vielfach ausgeuferten Verschuldung kommt jetzt somit noch die Inflation als zusätzliche Belastung hinzu. Dies trifft Staaten, Unternehmen und auch die normalen Bürger. Insbesondere die hohen Energiepreise führen zu Stress bei vielen Verbrauchern. „Wir rechnen damit, dass wegen der deutlichen Preissteigerung perspektivisch bis zu 60 Prozent der deutschen Haushalte ihre gesamten verfügbaren Einkünfte – oder mehr – monatlich für die reine Lebenshaltung werden einsetzen müssen“, sagte jüngst Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis der WELT AM SONNTAG. „Dieser Teil der Bevölkerung ist dann schlicht nicht mehr sparfähig.“ Bei 40 Millionen Haushalten bundesweit wäre davon also 24 Millionen Haushalte betroffen. Anderen geht es noch schlechter, die kommen ganz einfach mit ihrem Geld bereits nicht mehr aus. So beobachten die Sparkassen bereits zunehmende Überziehungen der Girokonten seit März 2022, kurz nach Russlands Angriff auf die Ukraine und den damit verbundenen Preissprüngen.

Man muss kein Ökonom sein, um folgende Entwicklung zu verstehen: Verbraucher, die zunehmend darum kämpfen müssen, genug Geld aufzutreiben, um die Kosten für Grundbedürfnisse wie Wohnen, Heizen und Essen zu decken, werden ihren Konsum in anderen Bereichen massiv einschränken. Kein Wunder somit, dass die Konsumstimmung massiv eingebrochen ist.

Die Experten des GfK prognostizieren für das Konsumklima für September 2022 -36,5 Punkte und damit 5,6 Punkte weniger als im August dieses Jahres. Damit sackt das deutsche Konsumklima auf ein neues langjähriges Tief, bei dem die Konsumenten sogar noch einmal deutlich vorsichtiger sind als zu Zeiten des Zenits der Coronakrise (siehe Grafik).

Konsumklima

Wir hatten bereits darauf hingewiesen: Die Kombination der aufgrund der ausgeuferten Inflation notwendigen Straffungsmaßnahmen der Notenbanken und der angeschlagenen Konjunktur sind ein großes Risiko für die Börsen. Der oben im Text erwähnte Michael Burry hat übrigens nahezu alle seine Aktien verkauft. Burry steht im Ruf, Krisen frühzeitig erkennen zu können. Dieser Ruf basiert nicht zuletzt auf dem sehenswerten Film „The Big Short“ aus dem Jahr 2015, in dem Burrys Spekulation auf einen zusammenbrechenden US-Häusermarkt eine entscheidende Rolle spielt. Derzeit warnt Burry vor einem Platzen der Blase am Aktienmarkt.

ch gebe bekanntlich nicht viel auf derartige Expertenprognosen. Prognosen werden an der Börsen aus meiner Sicht ohnehin überschätzt. Nach meiner Meinung ist Aktienanlage eher wie Segeln. Dabei würde kein erfahrener Segler auf die Idee kommen, das Wetter oder die Richtung des Windes vorhersagen zu wollen. Die Segel werden ganz einfach so gesetzt, wie der Wind eben weht. Bezogen auf den Aktienmarkt bedeutet dies: Wir schauen auf unsere Börsenampel und somit darauf, wie das aktuelle Börsenwetter ist. Und derzeit ist das Börsenwetter weiterhin unfreundlich, so dass wir vorsichtig bleiben und vorerst somit mit dem „Crashpropheten“ Michael Burry in einem Boot sitzen.

Freundliche Börsentage wünscht Ihnen
Matthias Rieger