Fünf Fehler, die Investoren bei der Geldanlage in Aktien vermeiden sollten

Fehler macht jeder. Das ist völlig normal und gehört auch bei der Aktienanlage mit zur Tagesordnung. Eine der Aufgaben besteht deshalb darin, sich über potenzielle Fallstricke zu informieren und aus begangenen Fehlern zu lernen. Fünf Portfoliomanager von der US-Investmentgesellschaft Capital Group verraten fünf von ihnen gemachte Fehler und die daraus gezogenen Lektionen. Der Börsenwerte Verlags-Blog berichtet.

Fehler beim Invstieren lassen sich ebenso wie im Alltagsleben nicht immer vermeiden. Das ist auch völlig normal. Schließlich ist das Geschehen an den Finanzmärkten sehr komplex und es kommt auch immer wieder zu unerwarteten Wendungen. Diese können dann ursprünglich eigentlich gute Anlageideen mit einem Schlag völlig über den Haufen werfen. Aber auch ohne große Überraschungen gibt es bei der Geldanlage viele Fallstricke, wobei das auch ganz speziell für Aktien als Anlageobjekt gilt.

Langfristig über die Jahrzehnte hinweg gesehen haben sich Aktien aber dennoch als ein rentables Investment erwiesen. Deshalb macht es keinen Sinn, auf sie zu verzichten, entscheidend ist es vielmehr, aus Fehlern die richtigen Schlüsse zu ziehen und diese möglichst nicht zu wiederholen. Fünf erfahrene Experten bei der US-Investmentgesellschaft Capital Group haben sich mit diesem Thema beschäftigt und überlegt, welche typischen Fehler es beim Investieren gibt. Nachfolgend sind fünf dieser Fehler inklusive der daraus gelernten Lektionen aufgelistet:

1. Vorsicht bei „Story Stocks“ (von Greg Wendt, Aktienportfoliomanager)

„Zu Beginn meiner Karriere habe ich in ein Kreuzfahrtunternehmen namens American Classic Voyages investiert, das eine eindrucksvolle Story vorweisen konnte. Die Wurzeln des Unternehmens lagen in der Delta Queen Steamboat Company, die beliebte Schiffstouren auf dem Mississippi River veranstaltete. Der Milliardär Sam Zell, der Vorsitzende des Unternehmens, sah eine Gelegenheit, die Kreuzfahrtindustrie aufzumischen. American Classic Voyages plante also, die exklusiven Kreuzfahrtrechte für die Inselgruppe Hawaii zu erwerben, und zwar durch ein protektionistisches US-Seerechtsgesetz.

Ich habe mir die touristische Dynamik in Bezug auf Hawaii und die Kreuzfahrtindustrie allgemein sehr genau angesehen und erkannt, dass es eine starke Nachfrage für Reisen dieser Art geben würde. Das Unternehmen brachte das gesamte erforderliche Kapital auf, stellte ein absolutes Traum-Managementteam ein und begann mit dem Bau des Kreuzfahrtschiffs auf einer Schiffswerft in Mississippi. Nun war zu dieser Zeit seit mehr als 25 Jahren kein Kreuzfahrtschiff mehr auf US-amerikanischem Boden gebaut worden, die Werft verfügte jedoch über umfangreiche Erfahrung, was den Bau von Kriegsschiffen betraf. Was hätte also schiefgehen können?

Es hat sich dabei aber herausgestellt, dass es nicht so einfach ist, branchenspezifische Kompetenzen wiederzubeleben, nachdem diese erst einmal verlorengegangen sind. Die milliardenschwere Investition in den Bau des Schiffes schlug fehl. Deshalb und auch aus anderen Gründen ging das Unternehmen in Konkurs. Es wäre mir nie eingefallen, dass man in den USA nicht die für einen Bau eines Kreuzfahrtschiffs erforderliche Expertise finden könnte. Das unvollendete Schiff wurde am Ende nach Europa geschleppt, wo es schließlich fertiggestellt wurde. Unterdessen ging die Investitionsthese in Bausch und Bogen unter.

Die Lektion: Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Unternehmen seine Geschäftsstrategie umsetzen kann, ohne zu verstehen, wie das konkret gemacht wird.“

2. Analyselähmung vermeiden (von Lisa Thompson, Aktienportfoliomanagerin)

„Geld anzulegen, ist eine Disziplin, die teilweise Wissenschaft, teilweise Kunst ist. Um hier Erfolg zu haben, muss man in der Lage sein, Daten zu sammeln und seine „Rechenaufgaben“ zu machen. Aber man muss auch Entscheidungen treffen, die auf dem Wissen basieren, das man sich durch Erfahrung angeeignet hat.

Ich bin von Natur aus ein antizyklischer Investor. Daher neige ich dazu, gegen den Strom zu schwimmen und mich für eine Anlage zu interessieren, wenn andere verkaufen. Der herausragende Superzyklus bei Rohstoffen Anfang der 2000er-Jahre, der von einem schnell wachsenden China angetrieben wurde, kam bis 2014 mehr oder weniger zum Erliegen. Nachdem der Preis für Eisenerz von 10 Dollar pro Tonne im Jahr 2003 auf etwa 170 Dollar im April 2009 stark gestiegen war, brach er bis Dezember 2014 auf unter 70 Dollar pro Tonne ein.

Auch Bergbauaktien fielen, da sie durch den Kursrückgang unter Druck gerieten. Vor diesem Hintergrund habe ich mit unserem Analysten zusammengearbeitet, der Bergbauaktien betreute, und ich habe ein Interesse am brasilianischen Eisenerzproduzenten Vale entwickelt. Inzwischen wissen erfahrene Anleger in zyklischen Unternehmen wie Vale, dass es sehr schwierig sein kann, die Talsohle eines Zyklus zu „erwischen“. Während dieser Zeit habe ich mich also regelmäßig mit dem Analysten getroffen und bin mit ihm die Zahlen durchgegangen. Unterdessen ist die Aktie weiter gefallen.

Bei Capital ist es so, was ich als Wettbewerbsvorteil sehe, dass sich unsere Analysten oft Jahre oder sogar Jahrzehnte mit einer einzigen Branche beschäftigen. Durch sie haben wir Zugang zu einem ungeheuer detailreichen Wissen. Ich erinnere mich aber, dass ich den Bergbauanalysten irgendwann einmal traf und fragte: „Wir wissen jetzt so viel über dieses Unternehmen, werden mehr Informationen hier wirklich den Ausschlag geben?“

Ich kenne die diskontierten Cashflows, die Versicherungspämien, die Strafgelder und die globale Nachfrage. Was soll da ein Datenpunkt mehr noch helfen? Ich muss die beste Entscheidung treffen, die ich anhand der vorliegenden Informationen treffen kann. Und das können sehr harte Entscheidungen sein, aber das ist nun mal die Aufgabe eines Portfoliomanagers.

Die Lektion: Recherche ist das A und O. Manchmal aber sind noch mehr Informationen zu viel des Guten. Um erfolgreich investieren zu können, muss man wissen, wann es an der Zeit ist, auf Basis bereits vorhandener Informationen loszulegen.

3. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser (von Steve Watson, Aktienportfoliomanager)

„Bei Capital legen wir großen Wert darauf, das Management zu kennen – uns mit dem Management zu treffen und regelmäßig mit ihm zu kommunizieren. Wenn wir Führungskräfte als Menschen verstehen, können wir ihre Geschäftsstrategie beurteilen und feststellen, ob sie die richtigen Personen sind, um sie auch umzusetzen. Das kann jedoch potenziell auch dazu führen, dass man sich scheut, zu sagen: „Ich frage mich, ob man mir hier gerade etwas vormacht.“ Nun sind die allermeisten Führungskräfte, mit denen wir es zu tun haben, ehrliche Menschen mit guten Absichten. Allerdings bedeutet das nicht, dass sie es immer ehrlich mit uns meinen – oder auch mit sich selbst.

Aber gelegentlich können auch versierte Anleger in einen Betrug verwickelt werden. Einige Jahre nachdem ich meine Tätigkeit in der Niederlassung von Capital in Hongkong aufgenommen hatte, beschloss ich, in Sino-Forest zu investieren, in ein chinesisches Unternehmen, das Waldflächen besaß und diese bewirtschaftete mit dem Ziel, sie schließlich an andere Anleger zu verkaufen.

Zwischen 2003 und 2011 stiegen die Aktien von Sino, die in Toronto notiert waren, um mehr als 500 %. Das war zurückzuführen auf Unternehmensberichte über ein starkes Gewinnwachstum. Es stellte sich heraus, dass das Unternehmen zahlreiche Transaktionen erfunden hatte, darunter etwa 450 im ersten Quartal 2009.

2011 wurde das Unternehmen von der Ontario Securities Commission überprüft. Der Handel mit den Aktien des Unternehmens wurde ausgesetzt, und bis 2012 hatte Sino Konkurs angemeldet. Letztendlich fand die Ontario Securities Commission heraus, dass bestimmte Führungskräfte des Unternehmens „an betrügerischem oder unehrlichem Verhalten in Bezug auf die vorhandenen Waldvermögenswerte von Sino-Forest und die Erträge beteiligt waren, und dass sie wussten, dass dies betrügerisches Handeln darstellte“.

Die Lektion: Prüfen Sie die Jahresabschlüsse und die Führungskräfte mit einer gesunden Portion Skepsis.“

4. Hüten Sie sich vor Ihrem „Bestätigungsfehler“ (von Justin Toner, Aktienportfoliomanager)

„Am 4. September 2001 wurde ich von der Capital Group für den Bereich der Luft- und Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie eingestellt – eine Woche vor den Terroranschlägen des 11. September. Mir wurde die Betreuung der Branchen zugewiesen, die sich direkt im Fadenkreuz dieser Katastrophe befanden. Zu den Unternehmen, die ich seit mehr als 20 Jahren betreute, gehörte der Flugzeughersteller Boeing, in den ich im Laufe der Jahre unterschiedliche Summen investiert habe.

Boeing hat seinen Anteil an Krisen überstanden – nicht nur die Angriffe vom 11. September – sondern gerade auch in jüngster Zeit, im Jahr 2019, die Abstürze des 737 Max-Flugzeugs aufgrund einer Fehlfunktion der Flugsteuerung und die Krise 2020 bedingt durch die COVID-Pandemie. Ich war ziemlich überrascht, wie schnell die Boeing-Aktie auf die Pandemie und den Lockdown der globalen Reisebranche reagierte. Rückblickend betrachtet, kann ich sagen, ich habe unterschätzt, wie schlimm die Dinge sich entwickeln würden.

Ich denke, man muss fairerweise aber sagen, dass sich wohl niemand vorstellen konnte, wie schlimm es tatsächlich kommen würde. Sicherlich kann man aber sagen, dass die Umstände sich rasch und unmittelbar im Zuge der anhaltenden Schwierigkeiten bei der 737 Max noch verschlechtert haben. Das war für mich als Analyst eine sehr schwierige Zeit. Außerdem hielt ich als Portfoliomanager die Aktien des Unternehmens in einigen Portfolios.

Nachdem ich fast 20 Jahre lang für die Branche zuständig war, würde man meinen, dass ich das Menetekel sehen und rasch und entschlossen darauf hätte reagieren können. Aber dieser Job ist sehr schwierig. Und genau wie alle Menschen können auch Anlageverwalter zum Opfer ihrer eigenen Emotionen und Vorurteile werden. Wir können uns den Bestätigungsfehler vorwerfen, die Tendenz, nach Informationen zu suchen, die unsere bereits vorhandenen Vorurteile bestätigen. Das war für mich eine enorme Lernerfahrung.

Die Lektion: Man muss seinen eigenen Standpunkt hinterfragen und bereit sein, rasch zu handeln, wenn die Umstände sich ändern.“

5. Man muss wissen, wann man aussteigt (von Martin Jacobs, Aktienportfoliomanager)

„Über lange Zeit erfolgreich Investitionen zu tätigen, ist unglaublich schwierig, wenngleich es unglaublich einfach erscheinen mag: Man muss ständig erstklassige Unternehmen identifizieren, deren Aktien im Laufe der Zeit überlegene Renditen erwirtschaften können.

Was ich aber in meiner beruflichen Laufbahn gelernt habe, ist, dass großartige Unternehmen straucheln können. Deshalb kann es genauso wichtig sein, sich diszipliniertes Verhalten anzueignen, was das Abstoßen von Papieren betrifft, und sich auch daran zu halten. Diese Fähigkeit wurde im Buch The Art of Execution: How the world’s best investors get it wrong and still make millions in the markets von Lee Freeman-Shor beschrieben.

Freeman-Shor, Dachfondsmanager, hat Daten von sieben Jahren auf Basis echter Anlageergebnisse von 45 der weltweit größten Investoren analysiert. Eine der interessantesten Beobachtungen dieser Studie war die Bedeutung von Gewichtung und Überzeugung.

Er hat nämlich festgestellt, dass es nicht darum geht, wie oft man richtig oder falsch liegt, sondern darum, wie viel Geld man verdient, wenn man richtig liegt, und wie viel man verliert, wenn man falsch liegt. Ich sehe in allen von mir verwalteten Portfolios, dass diese Gewichtungs- und Überzeugungsentscheidungen enorm wichtig sind.

Das Buch identifiziert fünf verschiedene „Stämme“ professioneller Anleger auf Basis ihres Verhaltens. Eine der Gruppen wurde als „Assassins“ (Killer) bezeichnet, da diese Personen rigorose Verkäufer waren. Sie haben sich sehr darauf konzentriert, ihre Verluste zu reduzieren, wenn eine Aktie nachgab. Zahlreiche Studien im Bereich der Verhaltenspsychologie haben gezeigt, dass es für Anleger emotional 10 Mal schwieriger ist, einen Verlust im realen Leben zu realisieren als auf Papier. Anders ausgedrückt: Wir alle neigen emotional dazu, eine Schadensbegrenzung zu umgehen und stattdessen weiterzumachen wie bisher.

Die Fähigkeit, eine Anlage abzustoßen, wenn sie nicht mehr funktioniert, kann also eine sehr wichtige Maßnahme für erfolgreiches Anlegen sein. Langfristige Anleger müssen lernen, bereit zu sein, umzuschwenken, wenn eine Anlagethese scheitert. Ich habe festgestellt, dass dies eine der schwierigsten Aufgaben für einen Portfoliomanager ist.

Die Lektion: Zu wissen, wann man eine Aktie verkaufen und nach vorne schauen muss, kann ebenso wichtig sein, wie zu wissen, wann man ein Papier kaufen sollte.“