Endphase eines langen Aufschwungzyklus

Leitartikel von Franz C. Bauer

Als Austria Börsenbrief beobachten wir die Märkte und die Unternehmen aus unserem Investmentuniversum sehr genau, aber es ist auch interessant, sich die Einschätzung großer Marktteilnehmer und institutioneller Investoren anzuhören. Bisweilen handelt es sich dabei ja um „self fulfilling prophecies“, also selbsterfüllende Vorhersagen. Wenn etwa eine große Fondsgesellschaft plötzlich ihre Marktmeinung auf „negativ“ ändert und das vielleicht auch noch ande­re tun (oder sich dadurch be­einflussen lassen) dann kann das nicht nur kleinere Märkte gehörig unter Druck bringen.  

Anfang dieser Woche hatte ich nun die Gelegenheit, die Mei­nung einiger führender Analys­ten und Fondsmanager des global agierenden Geldmana­gers Fidelity zu hören. Fidelity ist eine der größten internatio­nalen Fondsgesellschaften, und gemäß eigenen Aussagen spricht alle zehn Minuten irgendwo in der Welt ein Fidelity-Analyst mit dem Manage­ment eines Unternehmens. Und wie sieht die Marktmeinung dieses Investmentgigan­ten aus? Laut Fidelity befinden wir uns in der Endphase eines langen Aufschwungzyklus. Die Kursverluste im Februar waren aber zum Teil technisch bedingt. Auslöser erster Kursrückgänge waren US-Arbeitsmarktzah­len, die Zinsängste aufkeimen ließen. Da 2017 durch eine stetige Aufwärtsentwick­lung und geringe Volatilität gekennzeichnet war, hatten einige große Investoren und Hedgefonds auf fortgesetzt niedrige Volatili­tät bzw. steigende Kurse gewettet, mussten ihre Positionen im Februar aber auflösen und verstärkten damit die Abwärtsbewe­gung. Somit hätten die Kursverluste also nur zum (kleineren) Teil mit Fundamentaldaten zu tun, sondern wären (zumindest auch) auf eine technische Reaktion zurückzuführen.  

Das ist nicht nur beruhigend, sondern ent­spricht auch der aktuellen Meldungslage: Die Wirtschaft boomt, Prognosen sprechen von anhaltend starkem Wachstum und zu­mindest die bisher veröffentlichten Unter­nehmenszahlen unterstützen diese positive Meldungslage.  

Was aber bedeutet „Endphase eines lan­gen Aufschwungzyklus“ konkret? Auch dazu gab es Aussagen der Fidelity-Invest­mentprofis. Konkret bedeutet dies nämlich keineswegs, dass es ab jetzt bergab geht. Diese Phase könne auch bis zu zwei Jahre dauern. Allerdings sollten sich Anleger auf höhere Volatilitäten einstellen. Ein Plus zum Jahresende ist dabei aber möglich bis wahrscheinlich, wobei die Fondsmanager gute Chancen für europäische Aktien sehen. Und die Risiken? An erster Stelle ist hier immer wieder der Begriff „trade war“ zu hören. Ein Han­delskrieg zwischen den USA und China hätte laut Einschätzung der Analysten auch weitreichende Auswirkungen auf Europa.  

Aber ist so ein Handelskrieg wahrschein­lich? Angesichts der Tatsache, dass China der wichtigste Käufer und Inhaber amerika­nischer Staatspapiere ist, die USA wieder­um der wichtigste Abnehmer chinesischer Waren sind: Aus rationalen Gründen eher nein. Doch ob Donald Trump immer rational handelt, erscheint nach bisherigen Erfah­rungen nicht ganz sicher.  

Andererseits die gute Nachricht: Nach den Beobachtungen der Fidelity-Manager war­ten derzeit zahlreiche Investoren an der Sei­tenlinie – die Euphorie des vergangenen Jahres ist wachsender Skepsis gewichen. Solche Situationen bieten, gepaart mit po­sitiven Wirtschaftszahlen, interessante Chancen für entschlossene Anleger.  

Franz C. Bauer