Das jüngste Marktverhalten gefällt uns ganz und gar nicht

Leitartikel Rohstoffe & mehr vom 16.10.2018

Wir müssen gleich zu Beginn ganz offen folgendes zugeben. Die eigenen Gedanken in der aktuellen Marktphase gut struktu­riert zu Papier zu bringen, ist alles andere als einfach. Denn es strömen gerade sehr viele Nachrichten auf uns und alle ande­ren Marktteilnehmer ein, die aus Investorensicht zu ganz unter­schiedlichen Schlüssen führen können. Und daraus die richti­gen Anlagefolgerungen zu ziehen, ist sogar noch einmal um ein Vielfaches schwerer. Zwar könnten wir es uns leicht machen und wie viele andere Publikationen darauf verweisen, dass Ak­tien langfristig noch immer gestiegen sind. Aber das wird unse­rem Auftrag aus unserer Sicht nicht gerecht. Denn den sehen wir darin, auch Bewegungen zu identifizieren, die zumindest mittelfristig das Zeug dazu haben die Märkte zu bewegen.  

Nun ist es so, dass wir täglich enorm viel Research-Material sichten. Verfasst sind diese von den renommiertesten Adres­sen, die es in der Finanzszene gibt. Das Interessante dabei ist, dass obwohl diese Experten alle mehr oder weniger die gleiche Ausbildung genossen, sie in den meisten Fällen zu ganz unter­schiedlichen Schlüssen mit Blick auf die weiteren Marktaus­sichten kommen. Das ist auch aktuell nicht anders und so müssen wir wie immer selbst entscheiden, in welche Richtung wir letztlich mit unserer Meinung tendieren.  

Weil die Lage so komplex ist, schauen wir erst einmal ganz all­gemein auf die Aktienbörsen. Das macht auch deshalb Sinn, weil das was da passiert, auch auf die Rohstoffmärkte aus­strahlt. Wer das Glas nach der jüngsten Kurskorrektur gerne voll sieht, der schöpft Mut aus der historischen Beobachtung, wo­nach die Aktienkurse nach Volatilitätsspitzen wie jüngst, außer­halb von Rezessionszeiten in den 6-9 Monaten danach fast im­mer im Plus notierten. Ein weiterer Pluspunkt ist die Tatsache, dass sich die KGV-Multiplikatoren zuletzt bereits deutlich zu­   rückgebildet haben. Wie JP Morgan ausführt, ist das KGV auf Basis der Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Mona­te für Europa seit Jahresbeginn um 2,3 Punkte auf das 12,7-fa­che gesunken und für die USA um 2,8 Punkte auf das 15,9-fa­che. Darüber hinaus sind die Gewinnerwartungen für das kommende Jahr nicht sonderlich aggressiv. Der Analystenschnitt rechnet zwar mit einem Ergebnisanstieg je Aktie von 9,5% in Europa und von 10,5% in den USA. Aber das liegt genau in der Mitte des Bereichs der Prognosen der vergangenen zehn Jahre.  

Wer dagegen das Glas halb voll sehen will, der verweist auf ein Kurs-Umsatz-Verhältnis, das in den USA extrem hoch ist. Das ist auch deshalb kritisch zu sehen, weil Umsätze anders als Gewinne kaum manipuliert werden können. Zudem gehen die Experten noch immer bei mehr als 80% der US-Firmen von im kommenden Jahr weiter steigenden Margen aus, obwohl sich bekanntlich die Gewinnspannen bereits im Rekordbereich be­wegen. Die Grafik links unten zeigt zudem zuletzt deutlich ver­schlechterte südkoreanische Exporte. Weil diese aber histo­risch eng mit den Gewinnschätzungen für den MSCI Weltindex korreliert sind und diesen typischerweise um fünf Monate vor­laufen, sind demnächst fallende Ergebnisprognosen einzukal­kulieren. Für viel Nervosität unter den Marktteilnehmern sorgen ansonsten vor allem die zuletzt gestiegenen Anleiherenditen, der zunehmende Lohn- und Kostendruck und die abnehmende Liquidität. Zu allem Überfluss kommen auch noch Negativfak­toren wie Handelskrieg, Brexit und steigende Schulden hinzu. Wenn Anleger, wie das neuerdings der Fall zu sein scheint, be­reit dazu sind, auch wieder auf negative Nachrichten zu hören, gibt es somit mehr als genug Gründe, um sich Sorgen zu ma­chen.  

Auch uns treiben diese Punkte um, doch wirklich zu schaffen macht uns vor allem ein noch unerwähnter Aspekt. Gemeint sind damit die wirklich sehr häufig deutlich verschlechterten Chartbilder. Nicht selten sind dabei praktisch schon vollendete massive Umkehrformationen zu konstatieren. Nun ist man zwar bei Charts ebenso wenig wie bei Fundamentaldaten nie vor Fehlsignalen gefeit, aber die Zahl und die Güte der Warnsi­gnale sind so ausgeprägt, dass wir einfach nicht anders kön­nen als anlagetechnisch derzeit zur Vorsicht zu mahnen. Im Idealfall können wir schon nach den US-Zwischenwahlen am 6. November Entwarnung geben, es ist aber eben auch ein weiterer deutlicher Kursverfall nicht auszuschließen. Und das macht das Chance-Risiko-Verhältnis aus unserer Sicht derzeit zu ungünstig, um zum Kaufen zu blasen.

Das globale Gewinn-Momentum droht nach unten zu drehen Quelle: Macrobond und Nordea