Ob alt oder jung: Aktien sind stets eine gute Wahl

Ältere Anleger haben oft mehr Angst vor dem nächsten Crash als andere Investoren. Dabei gibt es sehr gute Gründe, warum Aktien auch im Alter einfach dazugehören. 

Aktien gelten als eine Anlageklasse, die langfristig betrachtet im Schnitt sehr gute Anlageergebnisse abwirft. Jedenfalls haben das die Ergebnisse von Studien mit Performance-Vergleichsberechnungen zu diversen Assetklassen immer wieder gezeigt. 

Die Krux dabei ist allerdings, dass Aktienkurse nicht nur Hoch-, sondern auch Tiefphasen durchlaufen. Manchmal geht es dabei sogar richtig steil bergab. Solche Abwärtsbewegungen möchte natürlich jeder Anleger – ob jung oder alt – am liebsten ganz meiden.  

Mit zunehmendem Alter scheint die Angst vor Schwächephasen bei vielen Anleger sogar noch ausgeprägter zu werden als in jüngeren Jahren. Unter anderem hat das mit der Angst zu tun, dass einem in betagteren Jahren vielleicht nicht mehr genug Zeit bleibt, um erlittene Verluste wieder auszubügeln. 

Bedenken dieser Art sind zwar menschlich und daher nachvollziehbar. Aber wenn man etwas über das skizzierte Thema nachdenkt, ist es durchaus rational zu der Meinung zu gelangen, dass Alter allein kein Grund dafür ist, um sich von Aktien abzuwenden. 

Zu diesem Schluss gelangt auch Robert Halver in einer aktuellen Publikation mit dem Titel „Darf man auch im Alter noch in Aktien verliebt sein?“. Darin konstatiert der Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank zu Beginn, dass trotz Risiken die langfristige Rendite von Aktien über jeden Zweifel erhaben ist. Aus Erfahrung weiß Halver aber auch zu berichten, dass ältere Menschen mitunter das Bedürfnis haben, ihr Vermögen vermeintlich zu bewahren, indem sie sich sogar vollständig aus Aktien zurückziehen und stattdessen auf Festgeld und Anleihen setzen. 

Angst frisst des Rentners Anleger-Seele auf

Nach dieser Bestandsaufnahme beschäftigt sich Halver dann mit der Frage, wie sinnvoll so eine Vorgehensweise beim Investieren tatsächlich? Dabei räumt er zunächst ein, dass beim Blick auf die (Finanz-)Welt, von eitel Sonnenschein keine Rede sein kann. Geopolitische Unsicherheiten, Handelsauseinandersetzungen, ein angestaubtes „Firmenimage“ der deutschen Wirtschaft oder Schwarze und Rote in der Bundesregierung, die sich nicht grün sind, begünstigen Schwankungen und Kursrücksetzer an den Börsen.

Viele Ältere fragen sich laut Halver daher, wieso sie ihr sauer über viele Jahre und Jahrzehnte angespartes Vermögen der Gefahr dieser möglichen Wertverluste aussetzen sollen. Das mit dem Ruhestand verbundene Ende der oberhalb der Rente liegenden Gehaltszahlungen erhöht das Sicherheitsbedürfnis zusätzlich.

Der Kapitalmarktstratege gesteht zu, dass Festgelder keine Kursverluste und Wertschwankungen kennen. Längst ist zudem die schmerzhafte Zeit der Strafzinsen vorbei. Im Vergleich zu Aktien sind Anleihen immerhin weniger volatil und wer bis zum Laufzeitende durchhält, bekommt seinen Einsatz zu 100% zurück. Das Risiko geht also gegen null, so Halver. Vor diesem Hintergrund konstatiert er, dass auch in seinem Bekannten- und Freundeskreis, in dem einige die 60 passiert haben, eine gewisse Sympathie für Zinspapiere nicht zu leugnen ist.

Zinssparen als suboptimale Anlageklasse

Grundsätzlich ist aus der Sicht von Halver auch nichts gegen Liquidität in Form von Zinsanlagen einzuwenden. Neben einem Sicherheitsgefühl dienen sie auch als Reserve für unerwartete Ausgaben. Das Interesse bei unvorhergesehenen Ausgaben Kursverluste bei Aktien realisieren zu müssen, ist gering.

Trotzdem ist Halver der Meinung, dass Zinspapiere keine Dominanz oder sogar einen Alleinstellungscharakter im Depot haben sollten. Vielmehr müsse auch Wasser in den süßen Zins-Wein gegossen werden. Nach Abzug der Inflation bleibt aktuell von seriösen Geldmarkt-Angeboten nicht nur nichts mehr übrig, der reale Zins ist vielfach sogar negativ. Hinter der Nominalillusion steckt ein Kaufkraftverlust, der das Vermögen längerfristig auffrisst wie Motten die Kleidung im Schrank.

Ebenso sind Anleihen gehandicapt, da Notenbanken dazu tendieren, die Kreditzinsen des Staates mit Blick auf die überall grassierende Überschuldung geringzuhalten. Und wo es keine hohen Kreditzinsen gibt, kann es auch keine hohen Anlagezinsen geben. So wirkt sich die Verhinderung von Schuldenkrisen als Guthabenkrise bei Rentnern aus, gibt Halver zu Bedenken.

Das „Langlebigkeitsrisiko“ als finanzielles Risiko

Außerdem erinnert er daran, dass wir zum Glück im Durchschnitt immer älter werden. Immer älter heißt aber auch, dass die Ersparnisse im Alter länger reichen müssen.

Damit Ruheständlern mit vor allem Zinspapieren nicht zu früh das Geld ausgeht, führt an Aktien kein Weg vorbei. Nur deren Rendite schafft es langfristig, die Inflation hinter sich zu lassen. Internationale Aktien erzielten in der Vergangenheit eine durchschnittliche Rendite von rund 10% jährlich.

Doch schrecken viele im Alter vor Aktienanlagen zurück. Sie fürchten, über einen nicht ausreichend langen Anlagehorizont zu verfügen, der das Depot nach Kurskorrekturen wieder in die Pluszone führt. Doch kann der Ruhestand mittlerweile durchaus Jahrzehnte dauern. Ein längerer Ruhestand heißt aber auch längerer Anlagehorizont, der wiederum das Risiko von Aktienanlagen senkt. 

Einen Zeitraum von über 15 Jahren können Rentner immer einkalkulieren. Und z.B. hat es beim MSCI World noch nie einen 15-Jahres-Zeitraum gegeben, in dem sich der Aktienindex negativ entwickelt hat. Die Zeit heilt alle Aktien-Wunden. Realistisch betrachtet macht es also wenig Sinn, sich zu früh und zu umfangreich von Aktien zu trennen. Man könnte seine Ersparnisse überleben.

Überhaupt, warum sollten Rentner die neuen Megathemen - aktuell KI, Biotechnologie oder Raumfahrt - links liegen lassen, fragt Halver? Offensichtlich überkompensieren ihre Chancen die allgemeinen Marktrisiken deutlich. In der Händlersprache spricht man davon, dass immer wieder eine neue Sau über das Börsenparkett gejagt wird. Im positivsten Sinne des Wortes ist die Börse ein „Schweinestall“. Eindeutig durchleben wir bei uns zurzeit schwierige Wirtschaftszeiten. Doch ist Deutschland nicht der Aktien-Nabel der Welt und deutsche Titel sind auf international attraktiven Standorten breit vertreten.

 

Vor einem Aktienausstieg im Alter, eigene Finanzlage besser erst nüchtern analysieren

Trotz all dieser positiven Argumente lässt dennoch die Bereitschaft für risikoreichere Anlagen im Alter nach, weiß Halver aus Erfahrung. Psychologisch ist das zunächst zu verstehen. Immerhin ist im Alter der Vermögensstand meistens am größten und man hat daher am meisten zu verlieren. Doch sollte jeder Ruheständler vor voluminösen Aktienverkäufen einen Kassensturz seiner persönlichen Finanzen vornehmen und sich ein paar Dinge vor Augen führen.   

Über die gesetzliche Rente wird derzeit heftig diskutiert. Trotzdem ist sie immer noch eine sichere Einkommensquelle, bei der fast jedes Jahr etwas obendrauf kommt, oft sogar mehr als die Inflation. Viele Rentner leben zudem in der eigenen, schuldenfreien Immobilie oder erzielen Mieteinnahmen. Damit ist ein Teil der Lebenshaltungskosten bereits abgedeckt.

Vor diesem Hintergrund muss man ausrechnen, wie viel weiteres Zusatzeinkommen überhaupt monatlich nötig ist, um den gewünschten Lebensstandard im Ruhestand zu finanzieren. Übertrieben herumliegende Liquidität sollte vermieden werden. Sie kostet Performance.

Zur Risikominderung darf die Diversifizierung nicht zu kurz kommen. Unter anderem. sollten Einzelaktien selektiver gekauft und Substanzaktie nicht vernachlässigt werden. Aktienindexfonds wie ETFs sollten höher gewichtet werden. Sie haben besonders geringe Kosten und sind marktbreit aufgestellt. Nicht zuletzt sind auch Dividendenwerte attraktiv. Sie bieten im Ruhestand ein zusätzliches stabiles Einkommen und sind daher auch weniger kursanfällig.

Eine alte Faustregel besagt, das Alter von 100 abzuziehen, um den Prozentsatz von Aktien zu bestimmen. Bei einem typischen 65-Jährigen wären das 35%. Mangels renditestarker Alternativen wäre mir das zu wenig. 50% sind das Minimum.

Mit Aktien ist es wie mit der Liebe: Man ist nie zu alt dafür. Auch Halver ist mittlerweile über 60 und seine Liebe zu Aktien ist unendlich, wie er gesteht.

Ergänzende Anmerkung der Redaktion: Als Börsenbrief-Verlag mit einer Ausrichtung auf Aktien haben wir zwar ein hausgemachtes Interesse daran, die Anlage in Aktien zu promoten. Allerdings sind wir auch losgelöst davon ebenso wie Halver davon überzeugt, dass Aktien von der Geburt bis zum Tod zu einem Leben gehören sollten.

Wichtig ist allerdings, nicht zu spekulieren und zu viel zu riskieren, Die meisten Börsianer dürften mit ihrer Rente in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Damit ist man schon einmal in einer komfortablen Ausgangslage. Was übrig bleibt und vor allem das Ersparte, kann sinnvoll gestreut investiert werden. Das Ziel dabei lautet, mit Kursgewinnen und Dividendeneinnahmen die eigene Kaufkraft zu stärken, so dass man sich im Ruhestand ab und zu mal zusätzlich etwas gönnen kann.

Und neben monetären Überlegungen dieser Art, gibt es übrigens auch noch einen ganz anderen überzeugenden Grund, der dafür spricht, Aktien auch im Alter treu zu bleiben. Ist die Geldanlage in Aktien doch ein Denksport und für ein funktionierendes Gehirn bestimmt ebenso förderlich wie Ergotherapie-Sitzungen, da auch sie dem Ziel dient, die grauen Zellen auf Trab zu halten.